Eine
Eine Schicht aus Frost und Nadeln kroch über meine Schultern. Noch immer hatte ich den Blick in den eisblauen Himmel gerichtet und war mir nur am Abgrund meiner Gedanken bewusst, dass die Kälte fast vollständig bis in mein Inneres vorgedrungen war. In meinen Gedanken folgte ich dem Weg eines Eisvogels, der über mir seine Bahn zog wie ein Schneeschieber durch die kalte Einöde.
Ein sandiger Windstoß aus der Weite des hitzigen Julinachmittages holte mich aus meiner Starre in das Reich des Lebendigen zurück, änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich inmitten dieses sommerlichen Gestöbers erbärmlich fror ohne mir erklären zu können, warum. Aber ich hatte gelernt diese Fragen nach dem Warum nicht länger zu verfolgen und ging, den Blick seitwärts in die Tiefen des Gartens gerichtet, auf die Terrasse des Hauses zu. Erst als ich vor ihm zum Stehen gekommen war fiel mir auf, wie sehr es mit seinen umrankenden Pflanzen vereint war, ganz so, als wäre es inmitten dieser Flieder, Erlen und unzähligen Efeuranken als eines von ihnen aus dem Boden hinauf zur Sonne gewachsen.
Bevor ich die letzten Schritte zur Veranda lenkte, deren beste Tage weit vor meiner Zeit vorübergegangen waren, fiel mein Blick wieder in den Himmel. Das Blau, welches eben noch als eisige Landschaft den Garten überzogen hatte, war zusehends stumpf geworden. Fast unwirklich lag die matte Farbe auf ihm und ich musste an lang vergangene Träume denken, in denen die Aufmerksamkeit so sehr auf andere Dinge gerichtet ist, dass die Farben in ihm bestenfralls fahl und verwittert scheinen. In gewisser Weise ähnelte es auch Erinnerungen, in denen Farben wie auf alten Fotografien zusehends verblassen.
Wie die Frage nach dem Warum war auch dieses Gedankenspiel völlig bedeutungslos. Helen hatte mich noch nicht wahrgenommen, also stieg ich behutsam die vor Unzeiten aus schlechten Zement geformten Stufen hinauf, deren Bröckeln unter meinem Gewicht ihr immer noch keinen Anlass gaben, den dichten Vorhang ihrer Haare zur Seite zu legen und mich anzusehen. Beim letzten meiner Schritte betrat ich schließlich den Holzboden, der kaum wahrnehmbar erzitterte. Die Luft lag schwer und ungeduldig auf unseren Schultern und kündigte bereits vom herannahenden Herbst. Durchtränkt vom süßlichen Vanille-Aroma aus Helens Zigarette schien sie aus dem Haus in den Garten zu fließen um dort mit den letzten Gerüchen des Sommers zu verschwinden.
Das letzte Gramm Asche fiel von ihrer Zigarette und versank mit einem leisen Zischen im Moosteppich der Vogeltränke. Schließlich trat ich an sie heran und ließ sie ihre Arme um meine Schultern legen. Ein kurzes Zucken durchlief ihren Körper als sie merkte, dass ich ihre Umarmung nicht erwiderte.
Ihr rechter Arm glitt an meinem Hals vorbei, während sie sich abwandte und im kühlen Dunkel des Hauses verschwand. Ich folgte ihr in die kurzzeitige Erblindung und erwachte im modrigen Licht des Untergeschosses, welches ich ohne es zu beachten über die Treppe in den Keller verließ. Kaum in der Lage im engen Flur aufrecht zu gehen stieß ich beinahe an den weiß lackierten Boiler, oder zumindest etwas was vor langer Zeit einmal weiß lackiert gewesen sein musste. Hinter der Biegung verdunkelten dicke Bleiglasfenster den kurzen Gang fast schon mehr, als sie bereit waren, etwas vom Schimmern des Sommertages in ihn hineinzulassen. Alte Kindheitserinnerungen an einen Dachboden irgendeiner Großtante bröckelten von den Wänden, einschließlich der Beruhigung, die seitdem durch das Wechselspiel von rotbraunem und milchiggrünem Licht hervorgerufen wurde.
Abgesehen davon wirkte dieser Gang notwendig noch dunkler durch das bleiche Licht, welches aus der letzten der drei Türöffnungen wie ein dickes Tuch auf den hölzernen Boden fiel und dort in den Staub sickerte. Meine Erinnerungen beiseite schiebend betrat ich die kleine Waschküche, die dank einer einzelnen nackten Glühbirne in einem unangenehmen, stumpfen Gelb schwamm. Helen saß auf der Waschmaschine, die schwarzen Träger ihres Kleides lagen auf ihren Schultern und bildeten neben ihrem Hals einen scharfen Kontrast zur weißen Haut.
Zu ihren Füßen stand ein Korb mit Äpfeln, die sicherlich aus diesem Garten waren. Ich hatte vorher ein paar Apfelbäume gesehen und einen Apfel davon gepflückt, den ich immer noch in meiner rechten Hand hielt ohne die letzten Minuten davon Kenntnis genommen zu haben. Als ich ihn ihr entgegenhielt, fiel mein Blick auf sein makelloses Äußeres sowie ein starkes, glänzendes Rot, dessen Ursprung mir in diesem Licht ein Rätsel war. Helen, die von meinen Gedanken nichts wissen konnte, nahm ihn und biss hinein. Für einen kurzen Moment durchzuckte mich die angstvolle Vision, aus dem Apfel Blutstropfen hervorquellen zu sehen. Stattdessen lief nur eine graue Träne über ihr staubiges Gesicht. In dem Augenblick, in dem sie den Apfel erreichte, verfärbte sie sich in ein tiefes Rot und fiel schließlich, ohne jedoch den Glanz der Farbe zu verlieren, zu Boden.
Ein sandiger Windstoß aus der Weite des hitzigen Julinachmittages holte mich aus meiner Starre in das Reich des Lebendigen zurück, änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich inmitten dieses sommerlichen Gestöbers erbärmlich fror ohne mir erklären zu können, warum. Aber ich hatte gelernt diese Fragen nach dem Warum nicht länger zu verfolgen und ging, den Blick seitwärts in die Tiefen des Gartens gerichtet, auf die Terrasse des Hauses zu. Erst als ich vor ihm zum Stehen gekommen war fiel mir auf, wie sehr es mit seinen umrankenden Pflanzen vereint war, ganz so, als wäre es inmitten dieser Flieder, Erlen und unzähligen Efeuranken als eines von ihnen aus dem Boden hinauf zur Sonne gewachsen.
Bevor ich die letzten Schritte zur Veranda lenkte, deren beste Tage weit vor meiner Zeit vorübergegangen waren, fiel mein Blick wieder in den Himmel. Das Blau, welches eben noch als eisige Landschaft den Garten überzogen hatte, war zusehends stumpf geworden. Fast unwirklich lag die matte Farbe auf ihm und ich musste an lang vergangene Träume denken, in denen die Aufmerksamkeit so sehr auf andere Dinge gerichtet ist, dass die Farben in ihm bestenfralls fahl und verwittert scheinen. In gewisser Weise ähnelte es auch Erinnerungen, in denen Farben wie auf alten Fotografien zusehends verblassen.
Wie die Frage nach dem Warum war auch dieses Gedankenspiel völlig bedeutungslos. Helen hatte mich noch nicht wahrgenommen, also stieg ich behutsam die vor Unzeiten aus schlechten Zement geformten Stufen hinauf, deren Bröckeln unter meinem Gewicht ihr immer noch keinen Anlass gaben, den dichten Vorhang ihrer Haare zur Seite zu legen und mich anzusehen. Beim letzten meiner Schritte betrat ich schließlich den Holzboden, der kaum wahrnehmbar erzitterte. Die Luft lag schwer und ungeduldig auf unseren Schultern und kündigte bereits vom herannahenden Herbst. Durchtränkt vom süßlichen Vanille-Aroma aus Helens Zigarette schien sie aus dem Haus in den Garten zu fließen um dort mit den letzten Gerüchen des Sommers zu verschwinden.
Das letzte Gramm Asche fiel von ihrer Zigarette und versank mit einem leisen Zischen im Moosteppich der Vogeltränke. Schließlich trat ich an sie heran und ließ sie ihre Arme um meine Schultern legen. Ein kurzes Zucken durchlief ihren Körper als sie merkte, dass ich ihre Umarmung nicht erwiderte.
Ihr rechter Arm glitt an meinem Hals vorbei, während sie sich abwandte und im kühlen Dunkel des Hauses verschwand. Ich folgte ihr in die kurzzeitige Erblindung und erwachte im modrigen Licht des Untergeschosses, welches ich ohne es zu beachten über die Treppe in den Keller verließ. Kaum in der Lage im engen Flur aufrecht zu gehen stieß ich beinahe an den weiß lackierten Boiler, oder zumindest etwas was vor langer Zeit einmal weiß lackiert gewesen sein musste. Hinter der Biegung verdunkelten dicke Bleiglasfenster den kurzen Gang fast schon mehr, als sie bereit waren, etwas vom Schimmern des Sommertages in ihn hineinzulassen. Alte Kindheitserinnerungen an einen Dachboden irgendeiner Großtante bröckelten von den Wänden, einschließlich der Beruhigung, die seitdem durch das Wechselspiel von rotbraunem und milchiggrünem Licht hervorgerufen wurde.
Abgesehen davon wirkte dieser Gang notwendig noch dunkler durch das bleiche Licht, welches aus der letzten der drei Türöffnungen wie ein dickes Tuch auf den hölzernen Boden fiel und dort in den Staub sickerte. Meine Erinnerungen beiseite schiebend betrat ich die kleine Waschküche, die dank einer einzelnen nackten Glühbirne in einem unangenehmen, stumpfen Gelb schwamm. Helen saß auf der Waschmaschine, die schwarzen Träger ihres Kleides lagen auf ihren Schultern und bildeten neben ihrem Hals einen scharfen Kontrast zur weißen Haut.
Zu ihren Füßen stand ein Korb mit Äpfeln, die sicherlich aus diesem Garten waren. Ich hatte vorher ein paar Apfelbäume gesehen und einen Apfel davon gepflückt, den ich immer noch in meiner rechten Hand hielt ohne die letzten Minuten davon Kenntnis genommen zu haben. Als ich ihn ihr entgegenhielt, fiel mein Blick auf sein makelloses Äußeres sowie ein starkes, glänzendes Rot, dessen Ursprung mir in diesem Licht ein Rätsel war. Helen, die von meinen Gedanken nichts wissen konnte, nahm ihn und biss hinein. Für einen kurzen Moment durchzuckte mich die angstvolle Vision, aus dem Apfel Blutstropfen hervorquellen zu sehen. Stattdessen lief nur eine graue Träne über ihr staubiges Gesicht. In dem Augenblick, in dem sie den Apfel erreichte, verfärbte sie sich in ein tiefes Rot und fiel schließlich, ohne jedoch den Glanz der Farbe zu verlieren, zu Boden.
starsnostars - 21. Jan, 00:43